Ist die Ausbildung der Jäger ausreichend und im Sinne des Tier- und Naturschutzes?


Das Durchschnittsalter der Jäger ist 57 Jahre. Ältere Jäger haben ihre Jägerprüfung meist vor Jahrzehnten abgelegt. Früher wurde kaum auf ökologische Zusammenhänge und Aspekte von Natur und Tierschutz eingegangen.
Nachschulungen werden nicht abverlangt!
Im Standardlehrbuch zur
Jägerprüfung werden neuere Erkenntnisse aus Tier-, Naturschutz und Ökologie kaum berücksichtigt und
in den Jagdschulen meist sehr flach und nicht als wichtiger Schwerpunkt behandelt. Das nötige umfangreiche Wissen wird oft in Crashlehrgängen angeeignet. Es ist viel zu viel in zu kurzer Zeit, was nur zum Auswendiglernen prüfungsrelevanter Inhalte führt. Entsprechend werden zwar die Jägerprüfungen bestanden, aber die Gefahr des Vergessens des kurzzeitig erworbenen Wissens ist sehr hoch.
Danach sind ein ganzes Jägerleben lang keine erneuten Prüfungen oder Weiterbildungen gefordert.

Jagdschein in drei Wochen

Unfähige Jäger, untätige Jagdbehörden

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13.11.2016.

(Foto C. Schenck).

(Foto C. Schenck).

Bei Lodenau in Sachsen konnte man bis vor kurzem (vielleicht immer noch) ein total verwüstetes Maisfeld in der Größe von dreißig Fußballfeldern besichtigen. Den Schaden hat ein etwa zweihundertköpfiges Rotwildrudel angerichtet. Vor zwei Jahren sollen es gar drei solcher Großrudel gewesen sein, die über Mais und Raps herfielen. Die Höhe des Schadens steht noch nicht fest, im Vorjahr waren es etwa 50.000 Euro, die Rechnung ist noch offen. Die Wildschäden, heißt es weiter, seien „trotz geringerer Wildbestände gestiegen.“ Wie hoch waren diese Wildbestände wohl vorher?

Bei Klitten, ebenfalls Sachsen, ist für eine Fläche von 2.500 ha eine Wildschadensrechnung von 180.000 Euro aufgelaufen. In Worten: einhundertachtzigtausend Euro. Hier waren es Wildschweine, die in „Großrotten“ einfielen.

180.000 Euro auf 2.500 ha – das sind 72 Euro Schaden pro Hektar. Die Einnahmen aus der Jagdpacht dürften bei 5 – 8 Euro liegen. Der Jagdpachtvertrag enthält eine Wildschadenspauschale – zum Glück für die Jäger, die damit gut wegkommen. Aber zum Unglück der Agrargenossen. Die werden auf dem größten Teil der Schäden sitzen bleiben.

Das ist alles einem Artikel von Reinhard Schneider in der Novembernummer der Zeitschrift Unsere Jagd unter dem Titel „Eine offene Rechnung“ zu entnehmen. Wer ist schuld an dem Desaster? Nicht etwa säumige Jäger, die den Wildbestand nicht in den Griff bekommen, wozu sie laut Jagdgesetz verpflichtet wären. Sondern Wölfe. Denn Hirsche und Sauen, so heißt es bei Schneider, rotten sich „unter der Dauerbelagerung“ zu „Angstrudeln“ bzw. „Angstrotten“ zusammen und zertrampeln die Felder.

Von Hirschen unter Dauerbelagerung zertrampeltes Maisfeld (Foto Schneider/Unsere Jagd).

Von Hirschen unter Dauerbelagerung zertrampeltes Maisfeld (Foto Schneider/Unsere Jagd).

Wo und warum sich Rotwild und Schwarzwild zu solch exorbitanten Beständen entwickeln konnten – dazu verliert Schneider kein Wort. Auch nicht zur Rolle der Jagdbehörden, die dazu da sind, die Einhaltung der Jagdgesetze zu kontrollieren, bedenklichen Entwicklungen gegenzusteuern und Verstöße zu ahnden. Wölfe kommen als Ausrede für das laxe Verhalten gerade recht. Sie kommen auch dann gerade recht, wenn manche Jäger ihre Abschusspläne nicht erfüllen – sie hätten dann, so heißt es gleich, den Wildbestand über Gebühr reduziert.

In seinem Artikel erwähnt Schneider auch das Annaburger Rudel im Dreiländereck Sachen/Sachsen-Anhalt/Brandenburg. Dort sehe man neuerdings Großrudel von hundert Stück Kahlwild und mehr (Kahlwild – das sind Hirschkühe und Kälber, nicht die Geweihe tragenden Hirsche). Das hat bereits zu einer Kontroverse zwischen dem Brandenburgischen Jagdverband und dem Ministerium in Potsdam geführt. Auch in Annaburg sind nicht die Jäger oder die untätigen Jagdbehörden schuld, sondern die Wölfe. Die CDU-Abgeordneten Detlef Radke und Guido Heuer im Land der „Frühaufsteher“ Sachsen-Anhalt (Werbeslogan) sind bereits auf diesen Zug aufgesprungen. Sie fordern „wegen der Wölfe“ Entschädigungszahlungen an die betroffenen Agrargenossenschaften. Und Siegfried Holzinger, Sprecher der Jägerschaft Stendal, weiß auch, wie man dem Problem beikommen könnte: Durch den Abschuss von Wölfen.

 

Wie das eine mit dem anderen zusammenhängt, das verrät er uns nicht. Auch Reinhard Schneider nicht.

Rauschzeit-Paarungssynchronisation


Bei der Fortpflanzung des Schwarzwildes übernimmt die Leitbache, d. h. die Bache
, die die Rotte führt, eine tragende Rolle. Die Leitbache bestimmt den Beginn der Rauschzeit. Nachdem die Leitbache rauschig wird, werden oft alle anderen weiblichen Stücke der Rotte rauschig. Man spricht hier unbewiesenermaßen von der Rauschsynchronisation . Fehlt die Leitbache, z. B. nach einem Abschuss oder Wildunfall
, werden die fortpflanzungsfähigen weiblichen Stücke zu verschiedenen Zeiten im Jahr rauschig.

Paarungssynchronisation

Angeblich gibt es bei gut gegliederten Familienverbänden mit intakter Sozialordnung eine Synchronisierung der Paarungszeit, die durch das älteste, fortpflanzungsfähige Weibchen in der Rotte ausgelöst wird, das als so genannte Leitbache die Familienrotte anführt. So soll außerdem die Paarungsbereitschaft bei juvenilen weiblichen Rottenmitgliedern verhindert werden. Die Richtigkeit dieser Annahme wurde bisher nicht nachgewiesen. Im Gegenteil: Es wurde belegt, dass es in der Rotte zu mehreren Haupt- und Nachrauschen kommen kann und dass der Beschlag von Frischlingsbachen normal ist.[14] Hormonell gesteuerte Abläufe bewirken eine Rauschzeit zwischen Oktober und Dezember und damit zu zeit-ähnlichen Geburten, bei denen die Altersunterschiede der Frischlinge gering und damit ihre Überlebenschancen höher sind. Keiler sind ganzjährig begattungs- und besamungsfähig.[15] Bachen können das ganze Jahr über empfängnisbereit sein. Bei guter Nahrungsversorgung kann es dazu kommen, dass sich Einjährige (Überläufer) oder noch jüngere Tiere an der Fortpflanzung beteiligen. Hierdurch kann es zu einer unkontrollierten Vermehrung kommen.

 

Es gibt zum Glück auch kritische Stimmen!
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Der Vorsitzende des Tierschutzbeirats Rheinland-Pfalz, Helmut Stadtfeld, hatte am Dienstag gesagt: «Es gibt auch sehr vernünftige Jäger, aber was vielerorts passiert, mutet an wie der Versuch, aus dem Wildschwein ein landwirtschaftliches Nutztier zu machen.» Die vielen Wildschweine seien wegen massiver Wildschäden, häufiger Verkehrsunfälle und der Gefährdung der Hausschweine durch die Schweinepest zu einem ernsten Problem geworden."
https://www.jagdverband.de/node/432

Naturschützer fordern Absprachen über Reviergrenzen hinweg

Eine bessere revierübergreifende Kommunikation unter den Jägern ist nach Einschätzung von Markus Bathen, dem Jagdexperten des Naturschutzbund Deutschland (Nabu), die entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Wildschweinjagd, die den Anforderungen des Tier- und Naturschutzes gerecht wird. „Eine Rotte Wildschweine kann sich über Reviergrenzen hinweg bewegen“, sagt Bathen. Deshalb müssten die Jäger sich regelmäßig austauschen – auch um zu vermeiden, dass die falschen Tiere geschossen werden. Denn die Rotten werden von weiblichen Schweinen, den Leitbachen, angeführt. Werden diese Tiere getötet, kann das zu einer Aufteilung der Rotte führen und das Fortplanzungsverhalten verändern, da sich infolge der fehlenden Orientierung an der Leitbache die Jungtiere früher vermehren.

Der Nabu macht sich zudem für das Prinzip der Intervalljagd stark – mit organisierten Treibjagden während zweier Wochen im Herbst, durchgeführt von gut ausgebildeten Jägern mit Hunden, die für die Wildschweinjagd trainiert wurden. Damit könne der Stress für die Tiere vermindert werden, der auch Ursache für vermehrte Schäden in Wald und Flur sei. „Wenn Wildschweine das ganze Jahr geschossen werden, sorgt das bei den Tieren für ständige Störung“, erklärt Bathen. „Die Tiere laufen dann längere Strecken, haben dadurch mehr Energieverbrauch, einen höherer Futterbedarf – und richten bei der Futtersuche größeren Schaden an.“

Fütterung durch Jäger heizt Vermehrung der Wildschweine noch an

Der Ökologische Jagdverband (ÖJV) sieht Defizite bei der Ausbildung der Jäger. „Wir fordern seit Jahren, dass es regelmäßige Schießleistungsnachweise geben muss“, sagt dessen Bundesvorsitzende Elisabeth Emmert. Bislang seien die nur zum zum Erwerb des Jagdscheins vorgeschrieben. Vor allem aber müssten die Jäger damit aufhören, Wildschweine im Winter mit Mais anzufüttern. „Deshalb sind die Probleme auch hausgemacht“, sagt Emmert. „Mit der sogenannten Kirrung versuchen viele Jäger die Tiere herauszulocken – heizen damit aber die Vermehrung der Schwarzwildbestände noch weiter an.“


https://utopia.de/ratgeber/streit-wildschweine-jagd/